Gedanken zur Kulturhauptstadt

27. April 2007

Wolfgang Winkler / Martin Heller April 2007

abgedruckt im Saisonheft 2007/08

Natürlich ist das Projekt Linz09 eine Herausforderung für Linz und muss es auch sein. Der Name „Kulturhauptstadt Europas“, gemeinsam mit Vilnius, in diesem Jahr bedeutet keineswegs, dass nur Kulturinstitutionen davon betroffen sind.
Linz09 meint das gesamte Linz. Von der Gastronomie über die Wirtschaft und natürlich die Kultur. Linz09 sollte aber nicht zu einem „Bauchladen“ dessen werden, was wir haben. Linz09 ist eines der wichtigsten Projekte für weitere Entwicklungen in dieser Stadt.
Linz hat sich von der reinen Industriestadt zu einer Stadt von Industrie und Kultur entwickelt. Diese Entwicklung sieht man am Entstehen von Design Center, Lentos und dem Wissensturm, der im September dieses Jahres eröffnet wird. Linz hat sich in den letzten Jahren zu einer Stadt mit einem sehr komplexen Angebot an Kultur entwickelt: Landestheater, Lentos, Landesmuseum, Ars Electronica Center und Brucknerhaus. Linz hat sich zu einer Stadt der Entwicklung, der Ermöglichung und des Experiments gewandelt. Das positive soziale Umfeld und eine prosperierende Wirtschaft sind wesentliche Partner dieses Trends.
Linz09 ist nun das Projekt, das es Linz ermöglicht, nicht „faul“ zu werden. Das bedeutet, sich nicht auf dem Erreichten auszuruhen, das bedeutet, sich nicht selbstgefällig auf die Schulter zu klopfen. Linz09
hinterfragt das Vorhandene, positioniert es vielleicht da und dort neu und soll eigentlich Wege aufzeigen, wie es 2010 weitergehen soll.
Linz09 soll und muss Impulse setzen, die die folgenden Jahre ihre Wirkung zeigen.
Wolfgang Winkler
Kulturhauptstadt Europas: Ein großes Projekt, und verführerisch dazu! Aber wie jedes große Vorhaben besteht auch dieses aus einer Vielzahl kleiner Schritte. Aus Versuchen, den Weg zu finden zum großen Ziel. Mit langem Atem und vielen Komplizinnen und Komplizen in Stadt und Region. Denn Gastgeberin Europas zu werden braucht eine lange Zeit konkreter Vorbereitung, aber auch der Selbstprüfung im besten Sinne! Linz – und das meint: wir alle! – muss wissen, was mit diesem Titel und den damit gebotenen Möglichkeiten erreicht werden soll.
Mitten in diesem Prozess befinden wir uns. Manchmal bereitet er Mühe, und manchmal möchte man jubeln ob der Dinge, die da in rascher Kadenz plötzlich möglich werden. Ein friedvoller Ausnahmezustand soll das Kulturhauptstadtjahr prägen, soll viele Fenster aufstoßen in alle erdenkliche Richtungen.
Natürlich arbeiten wir derzeit besonders intensiv am Programm von Linz09. Auch am musikalischen Teil, der eine bedeutende Rolle spielt und vom Komponisten Peter Androsch verantwortet wird. Intensiv geht es dabei um das Hören selbst. Es ist Ausgangspunkt und ständige Referenz, im Stadtraum ebenso wie im Konzertsaal. Androsch scheut sich dabei nicht vor klaren, aktuellen und anspruchsvoll profilierten Statements. Wir freuen uns über alles, was aus diesem Ansatz und mit Leidenschaft entstehen wird, zusammen mit vielen Künstlerinnen und Künstlern, aber auch mit wichtigen Partnern wie dem Brucknerhaus und der LIVA.
Eines aber liegt mir jenseits aller Programmarbeit ganz besonders am Herzen. Kultur braucht in Linz einen anderen, virulenteren Stellenwert. Der Stolz auf das erreichte und all die neuen Bauten ist berechtigt, aber er genügt nicht. Kultur muss selbstverständlich werden. Auch und gerade da, wo sie stört und verunsichert, weil sie sich der üblichen Logik des vermeintlichen gesunden Menschenverstands entzieht. Weniger rituelle Sonntagspredigten und mehr intensiv gelebte, hart erarbeitete, lustvoll erstrittene und in vollen Zügen genossene Kultur: Dies mein nachhaltiger Wunsch für Linz09, die Zeit danach und für eine Stadt, die zu allem fähig ist!
Martin Heller

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