für Walter Wippersberg

11. Juli 2016

der Text war für das letzte 99iger Heft im Gedenken an Walter Wippersberg gedacht. Digitale Irrwege haben ihn umgeleitet und kurzfristig verhindert. daher kommt der Text hier im  Blog.

 

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Konsequent: Walter ist gestorben.

Zu mindestens das, was von ihm sterben konnte. Sein Körper war schon längere Zeit von einem denkbaren, nahen Tod gezeichnet.

Insofern war es nicht wirklich überraschend.

Und trotzdem: Ich bin betroffen. Betroffen von der plötzlichen Nichtexistenz des körperlichen Walters. Sie zwingt mich auf eine Metaebene der Kommunikation, der Auseinandersetzung mit Ideen, Ansichten, der Diskussion.
Walter  ist – ich schreibe bewusst „ist“ – ein Freund und ein Gesprächspartner und wird es bleiben.

Er hatte Standpunkte, vertrat diese deutlich und nicht zu überhören, kompromisslos. Gleichzeitig war er gegenüber anderer Meinung tolerant, manchmal schon beleidigend gütig – fast unter dem Motto: „ganz lieb!“

Walter war süchtig nach seinen Glimmstängeln. Zitat von ihm anlässlich eines Treffens der 99iger in seinem Garten:

“Wenn man mir hier auch das Rauchen verbieten will, könnte ich doch glatt zur Pistole greifen!“

Natürlich wusste er, dass Zigaretten nicht gerade zur biologisch gesunden Ernährung gehören. Er war aber nicht einfach süchtig, sondern er war konsequent süchtig – und das nicht nur beim Verbrennen von Tabak, sondern in allen Bereichen der Kunst und damit des Lebens.

Er war Schriftsteller.

Sein Buch, nur zum Beispiel, „Einiges über den lieben Gott“, faszinierte und fasziniert mich nach wie vor wegen der Akribie im Detail der Aufarbeitung einer wirklich schwierigen Materie und der Konsequenz der Schlüsse, die man daraus ziehen kann – eigentlich muss.

Klar, es war nicht sein einziges Buch, sondern eines unter vielen, aber ein wichtiges. Vor allem und ganz egoistisch – für mich: ein wesentliches.

Er war ein Mann des Filmes, des Drehbuches, der Fotographie, der Philosophie, der stets bereiten Opposition, wenn sie nötig war.

Und sie ist immer notwendig, in letzter Zeit mehr denn je.

Ob man die scheinbar missionarische Verfolgung des Rauchens, unter dem Vorwand sich um die Gesundheit der Menschheit Sorgen zu machen, nimmt, oder die Verwandlung des denkenden, angeblich freien Menschen, gleichsam in einen Hamster in den Rädern der Pharmazeutischen Industrie, der Wirtschaft und ihrer auf Gewinn ausgerichteten Ideologien.

Also die Verwandlung des homo sapiens in einen von der EU bestimmten Gurken-geraden, obrigkeitsgläubigen, versicherungstechnisch ausbeutbaren, selbstverständlich gesunden und kalkulierbaren Faktor, der bei guter Haltung Gewinn abwirft.

Immer wieder dagegen aufzutreten und anzuschreiben, fotografieren, zu reden, war ihm ein Anliegen, das es gilt, unvermindert fortzusetzen.

Er hatte ein verstehendes, verschmitztes und oft auch spöttisches Lächeln, wenn es angebracht war – wie schon erwähnt, er war durchaus tolerant. Aber gleichzeitig war er eben konsequent
Der 99iger Kreis, von ihm gegründet, war geistige Anregung und Ort von Freundschaft zugleich.  Eine Art von Literatursalon des 19. Jahrhunderts und doch mehr. Walter gründete diesen Kreis mit Freunden und Gleichgesinnten als eine kleine, private Bastion gegen Dummheit, Ignoranz, aber für Konsequenz und mit Heiterkeit.

 

 

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