Starmania der Klassik
23. 2 2009
Sehr geehrte Damen und Herren!
Man kann es nicht oft genug sagen.
Netrebko ist Christl Stürmer ist Starmania ist Klassik.
Das ist sicher ein unverständlich wirkender Satz, der Philosophie
vortäuscht, aber die banale Realität meint. Die letzte Zeit hat es
hinlänglich bewiesen. Der Hype, wie man neudeutsch sagt, besser, die
mediale Hysterie, die um die Sängerin Anna Netrebko in letzter Zeit
veranstaltet wurde, hat die Qualität von Starmania.
Von Ihrer Erscheinung, von ihrer Erotik in der Oper Manon, von ihrem
Traumpartner Villazon bei vielen Gelegenheiten, von ihrer Traumrolle,
was auch immer die sein mag, ist meist die Rede. Die Summe aller
medialen Nennungen erst entlarvt den voyeuristischen Charakter dieses
Gesellschaftsspieles.
Das Fernsehen ersetzt den Herrgottswinkel vergangener Tage.
Das Fernsehen braucht dazu Helden, es braucht Emotionen und Identifikationsmöglichkeiten.
Diese Helden zeichnet ein sehr rasches Ablaufdatum aus, woraus folgt,
dass das Fernsehen immer neue Helden braucht. In der Klassikbranche ist
das nicht anders. Helden, oder besser Stars, werden in der
Musikbranche, ob Pop oder Klassik, permanent gesucht. Junge Menschen
träumen von einer großen Karriere und sie glauben und werden von ihrer
Umgebung bestärkt mehr oder weniger singen zu können, merken dabei
nicht, wie sie als Wegwerfklone einer gierigen Medienindustrie
behandelt werden. Ihre Träume und die Projektion von Träumen der Masse
werden perfekt emotionalisiert und als Fast Food der
Event-Gesellschaft, ohne jegliche Nachhaltigkeit verfüttert.
Starmania ist brutaler Kampf um Quoten und Aufmerksamkeit. Und in der Hochkultur?
Bei Wettbewerben geht es den Siegern ähnlich – in einem Jahr gibt’s den
nächsten Sieger. Nachhaltigkeit ist nicht gefragt. Ein paar schöne Töne
bei Sängern ein hinreißendes Spiel am Klavier und schon werden sie in
eine Teilzeitkarriere gestoßen. Man kann Anna Netrebko nur wünschen,
dass sie sich nicht total vermarkten lässt, wenn ihr ihre Karriere noch
eine geraume Zeit wichtig ist.
Starmania ist kein Phänomen der Pop-Branche, auch kein Phänomen der
Klassikbranche, Starmania ist ein Denkmodell unserer Gesellschaft !
