Einiges über die Beziehung zwischen Veranstalter und Künstler
Jede Ähnlichkeit mit einem Buchtitel von Walter Wippersberg "Einiges über den lieben Gott" ist aus der Luft gegriffen, nicht beabsichtigt und rein zufällig. Jede gottähnliche Anmaßung ist natürlich abzulehnen, obwohl …. !
Anton Bruckner widmete seine 9. Symphonie in hierarchischer Konsequenz und mit großem Selbstbewußtsein dem lieben Gott, dem einzigen Wesen, das noch über den Kaiser zu stellen war. Man kann diese Widmung unterschiedlich sehen. Man kann sie als eine Anmaßung, siehe oben, sehen oder man kann sie als Ausdruck der Katholizität von Anton Bruckner aufnehmen.
Friedrich Gulda hat, wenn er ein Konzert gegeben hat, die Programmauswahl unabhängig von jedem Programmzettel ausschließlich selbst und oft aus der Sekunde heraus festgelegt. Das Publikum hatte es hinzunehmen und ihm dabei zu huldigen.
Ähnliche Künstlerpersönlichkeiten gibt es immer, Herbert von Karajan nur zum Beispiel. Jeder Solist, jeder Dirigent trägt die Anmaßung in sich. Das ist berufsbedingt und wohl auch notwendig, um Spitzenleistungen zu ermöglichen.
Was ist dann der Veranstalter?
Ich lasse den Vermieter eines Konzertsaales in dieser Betrachtung einfach weg und rede von jenem Typus des Veranstalters, der die Rolle des Intendanten, des Programmmachers und damit des Partners der Künstler übernimmt. Er ist Mitgestalter der Programme, er ist Diskussionspartner und damit gelegentlich Reibefläche, er ist Freund der Künstler, er muss manchmal mit Autorität auftreten.
Für das Gesamtprogramm ist immer er und nicht der Künstler, der ein Konzert gibt, verantwortlich. Darin kann ihre Polarität bestehen.
Beide sind im Musikgeschäft verwurzelt. Für den Veranstalter gilt es, den schmalen Grat zwischen Publikumsakzeptanz und Innovation zu gehen. Für den Künstler gilt das Gleiche. Mit einem rein klassischen Musikprogramm ist es relativ leicht, Publikum zu gewinnen, mit den Werken unserer Zeit wird die Sache schon schwieriger - ein Problem beider.
Veranstalter und Künstler stellen also eine Symbiose dar. Sie lernen sich im Laufe ihrer Zusammenarbeit immer besser kennen und es entsteht "backstage" eine positive Atmosphäre. Das Lachen, der Schmunzler beider, der bei den verschiedensten Begebenheiten vor und nach dem Konzert stattfinden kann und soll, ist ein wichtiger, kunstfördernder Bestandteil dieser Zusammenarbeit.
Mischa Maisky zum Beispiel, vor dem Konzert naturgemäß konzentriert und ernst, entpuppt sich nach dem Konzert als ein hervorragender Erzähler des ostgalizischen jüdischen Witzes.
Heinrich Schiff, vor dem Konzert konzentriert und impulsiv, wird nach dem Konzert zu einem fast sanften, geistvollen und witzigen Gesprächspartner.
Cecilia Bartoli ist vor dem Konzert natürlich auch konzentriert, auf der Bühne mit jeder Schwingung ihrer Stimme "on stage" und nach dem Konzert eine der charmantesten Plaudertaschen, die ich kenne.
Die Entstehung eines Konzertes kann man überhaupt in drei Abschnitte teilen.
Erster Abschnitt ist die Programmdiskussion, die Gagendiskussion, die unmittelbare Vorbereitung auf das Konzert.
Der zweite Abschnitt gehört dem Publikum. Der Künstler gibt sein Bestes für sein Publikum, das gleichzeitig das Publikum des Hauses, in unserem Fall des Brucknerhauses, ist.
Der dritte Abschnitt ist anfangs noch von Autogrammjägern, also dem Publikum, bestimmt. Im Anschluss daran gehört er aber wieder dem entspannten Dialog zwischen Intendant und Künstler. Ist das Konzert nach den Wünschen des Künstlers verlaufen, gilt für ihn der bekannte Auspruch von Bruno Kreisky: "Ich kann gar nicht genug Lob vertragen!" Ist aber im 137. Takt des dritten Satzes eine Note nicht ganz so gelungen, dann gilt es auch Trost zu spenden. Das wiederum ist eine wichtige Aufgabe für den Intendanten. Die Selbstkritik der Künstler ist immer wesentlich exakter und präziser wie jede Kritik, sei sie auch noch so fachmännisch geschrieben, was bei uns ohnehin recht selten vorkommt.
So mancher nächster Konzertabend entsteht in seiner Grundidee in dieser dritten Phase.
Auf der CD hören Sie eine Auswahl aus den vielen Geschichten über Begegnungen von mir mit Künstlern. Im Laufe der Jahre haben sich so viele angesammelt, dass sie auf einer CD keinen Platz finden. Daher habe ich mir erlaubt, Ihnen einige Geschichten zu erzählen, die sie auf heitere Weise in den nahezu intimeren Backstage-Bereich führen sollen. Es ist eine andere Art der Begegnung mit Künstlern und letztlich mit der Musik.
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